Täuscht uns die Erinnerung oder waren die Winter früher tatsächlich deutlich ausgeprägter als heute? Irgendwie fühlten sich die kalendarischen Winter in den letzten Jahrzehnten an wie vormals die Herbste: Frisch und nass, statt schneereich und knackig kalt. Noch bis in die 1980er Jahre machten in den Wintern regelmäßig bestimmte Orte Schlagzeilen, weil ringsum sämtliche Wege so vollständig mit Schnee zugeweht waren, dass die Schneepflüge der weißen Massen nicht Herr wurden.
Wenige Meter hinter den Räumfahrzeugen war die Straße schon wieder unpassierbar zugeweht. Da halfen weder die Schneezäune, die man vereinzelt heute noch an manchen Straßenabschnitten im Winter sehen kann, noch schweres Gerät. Ganze Orte waren von der Außenwelt abgeschnitten. Die Presse berichtete Anfang der 1980er Jahre beispielsweise über einen medizinischen Notfall in Berescheid. Motorisiert war es dem Rettungsdienst nicht möglich, bis zum Patienten zu gelangen. Nach einer Erstuntersuchung durch den Notarzt Wilfried Lehmann, der sich zu Fuß bis in das eingeschneite Dorf durchgeschlagen hatte, trugen Feuerwehrmänner den Notfallpatienten auf einer Trage durch den Schnee bis an die Stelle, wo der Rettungswagen stand.
Die Bilderkisten der Mitglieder des Geschichtsforums sprechen eine beredte Sprache hinsichtlich der früheren Schneemassen in beinahe allen Eifelwintern. Aus dem Bestand der Fotografin Loni Mertens (Gemünd) stammt das Bild aus dem Raum Herhahn-Morsbach, das verdeutlicht, dass 1951/52 mit üblichen zivilen Winterdienstfahrzeugen die Schneemengen nicht mehr beherrschbar waren. So bahnte ein belgischer Caterpillar des Camps Vogelsang auch den zivilen Nachbarn die Wege.
Schwierig wurde es in ausgeprägten Wintern auch für die Briefträger. Sie schleppten die Post tagein tagaus immer auch zu den entlegenen Orten, Schnee hin oder her. Notfalls wurden dann schon mal die Bretter vom Speicher geholt, wie das Bild des Pressefotografen Heinz H. Naumann aus dem tief verschneiten Kermeter bei Wolfgarten zeigt. Da lieferte der Briefträger, offensichtlich von den Unbilden der Witterung nicht sonderlich beeindruckt, die Post auf Skiern zum Forsthaus.
„Ja“, sagt also das kollektive Gedächtnis der Alten: Früher waren die Winter schneereicher und kälter, dafür die Sommer wärmer und trockener. Aber Hand aufs Herz: Heute versöhnt uns ein Blick auf die jährliche Heizkostenabrechnung mit dieser Folge des Klimawandels. So gesehen hat das vergleichsweise warm-feuchte Wetter der vergangenen Jahre durchaus auch seine gute Seite.