Aus den Augen, aus dem Sinn: Die sprichwörtliche Einschätzung trifft gewiss für das ‚Dorf Vogelsang‘ zu, das - bis 2005 im Truppenübungsplatz gelegen - nach 1945 alsbald in Vergessenheit geriet. Überreste der Häuser sind bis auf den heutigen Tag vom Nationalparkweg unterhalb des Erinnerungsortes Wollseifen durch das Neffgesbachtal nach Vogelsang gut erkennbar. Das als ‚NS-Mustersiedlung‘ angelegte Retortendorf war ab 1938 als eine der zur Ordensburg Vogelsang gehörende Infrastruktureinrichtung geplant worden. Das neue, für damalige ländliche Verhältnisse großzügig entworfene Siedlungsgebiet einschließlich diverser öffentlicher Einrichtungen, vom Kindergarten über die eigene Schule bis zum Friedhof, sollte teils aus Mehrfamilienhäusern bestehen, teils auch aus freistehende Einzelhäusern. Bilder aus dem Nachlass des Kölner Architekturfotografen Hugo Schmölz aus dem Jahr 1941 zeigen allerdings lediglich einen realisierten Haustyp – ein Dutzend jeweils im Rohbau fertiggestellte Mehrfamilienhäuser. Erbau wurden sie offenbar aus Schwemmsteinen. Bereits 1939 legte der Düsseldorfer Architekt Professor Fritz Becker Pläne für eine großzügige Erweiterungsplanung vor. Er schlug ganz unterschiedliche Haustypen vor, überwiegend jedoch in regionaltypischer Fachwerk-Bauweise, und präsentierte dazu einen Lageplan. Diese Erweiterung wurde zwar nie realisiert, aber sie war von der DAF auf Betreiben der Führung der NS-Ordensburg Vogelsang in Auftrag gegeben, die Fertigstellung war für die Zeit nach dem Krieg beabsichtigt.
Bereits Anfang 1940 behauptete der Vogelsanger Burgkommandant Hans Dietel, dass im Stadium des Endausbaus der Anlage Vogelsang dort und in dem benachbarten ‚Dorf Vogelsang‘ insgesamt 4500 Menschen leben sollten. Die Häuser sollten den hauptamtlichen Angehörigen des Stammführerkorps sowie den von auswärts stammenden Verwaltungs- und Dienstleistungsmitarbeitern einen gemeinsamen, ausschließlich nationalsozialistisch besiedelten Wohnort bieten. Geplant war also ein rein nationalsozialistisch besiedeltes Dorf. In einem Schreiben der NS-Ordensburg an die Regierung in Aachen forderte Dietel unzweideutig, „eine Gemeinde zu errichten, die wirklich in jedem Punkt den Forderungen der nationalsozialistischen Gemeindepolitik entspricht, d.h. es muss hier eine nationalsozialistische Mustersiedlung entstehen. [...] Nach völligem Ausbau der Ordensburg werden in der Burggemeinde Vogelsang mindestens 4500 Menschen wohnen.“ Die Gemeinde Dreiborn, die zu der Zeit die Amtsbürgermeistergeschäfte in Vogelsang erledigte, zählte damals nur 890 Köpfe. Dietel gab in dem Schreiben weiter an, dass bereits zum 1. Mai 1940 die ersten 60 Familien einziehen würden. Weiter folgerte er, da dort künftig 120 Kinder beschult werden würden, müsse „sehr schnell eine Schule in der Burggemeinde Vogelsang“ erbaut werden. Daher sei eine schnelle Regierungsentscheidung erforderlich. Allerdings stoße vorerst der weitere Ausbau auf Schwierigkeiten, da es kriegsbedingt einen erheblichen Mangel an Arbeitskräften und Material gab. Verantwortlich für die Schaffung der Siedlung einschließlich der Verkehrs- und Versorgungsanlagen sei nach der Ansiedlungsgenehmigung die Trägerin des Siedlungsunternehmens. Der Schleidener Landrat Josef Schramm verwies allerdings darauf, dass „der Siedlungsunternehmerin [...] die Auflage gemacht ist, [...] eine entsprechende Volksschule zu errichten und zu unterhalten.“ Somit sei die Kommune für die Errichtung der Schule nicht zuständig.
Eine Plan-Zeichnung mit einer Gesamtplanung Vogelsangs des Architekten Klotz aus dem Jahr 1941 machte deutlich, dass die zu der Zeit immer noch im Rohbau stehenden Bauten des Dorfes Vogelsang erst der Anfang eines weitaus größeren Projektes waren. Die Siedlung war als Straßendorf angelegt. Noch am 29. November 1942 gewährte die DAF der Gesellschaft ‚Neue Heimat‘ für den Bau von insgesamt 114 neuen Häusern ein Darlehen über 800.000 RM für den Bau. Aber tatsächlich ruhte die Baustelle bis Kriegsende. Da die ersten Bauwerke 1945 mindestens als Rohbauten fertiggestellt waren, wurden dort Evakuierte aus dem südlichen Kreis Monschau provisorisch untergebracht. Nach der Einnahme des Gebietes durch die US-Truppen Anfang Februar 1945 wiesen sie dort einige internierte Zivilisten ein, die die erste Gelegenheit zur Rückkehr nach Hause nutzten.
Nach 1945 stritten die Projektbeteiligten, bzw. deren Rechtsnachfolger ausgiebig um die Bezahlung der Baukosten für das Dorf. Der Streit entbrannte zwischen dem Treuhänder für das ehemalige Vermögen der DAF und der Gesellschaft ‚Neue Heimat‘, die die Gebäude errichtet hatte. Ausweislich der Bilanzen sei an reinen Baukosten ein Betrag von RM 1.183.811 Reichsmark aufgewendet worden. Der Treuhänder forderte nun von der ‚Neuen Heimat‘ die Summe zurück mit der Begründung, das Dorf sei nicht errichtet worden, die bereits bestehenden Gebäude seien wieder abgerissen worden. Der Streit ums liebe Geld verlief schließlich im Sande. Innerhalb weniger Jahre wurden ab 1946 die Bauten des Dorfes Vogelsang durch den Manöverbetrieb im Camp Vogelsang weitgehend zerstört. Übrig blieb Schutt der Geschichte.
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