„Die Welt machte mich zu einer Hure – nun mache ich sie zu meinem Bordell“ lautet ein zentrales Zitat aus Friedrich Dürrenmatts ‚Besuch der alten Dame‘, das die Gruppe um Lehrer und Leiter der Theatergruppe ‚Was Für Ein Theater‘, Michael Blum, gekonnt auf die Bühne brachte. Viele haben das Theaterstück sicherlich in ihrer Schulzeit gelesen und werden sich noch gut an die teils irritierende Handlung erinnern. Zeitlos stellt das Theaterstück immer wieder aktuelle Fragen: Was kostet die Gerechtigkeit? Ist jeder käuflich? Geht es um Recht oder Rache, wenn die Hauptakteurin fordert, dass das von ihr erlittene Unrecht gesühnt wird?
Im Schatten der Vergangenheit erwacht eine geheimnisvolle Gestalt – Claire Zachanassian, die einst ihre Heimatstadt Güllen verlassen musste, nachdem Alfred Ill sie schwanger im Stich gelassen hatte. Aber nicht nur das – er überredete einige Güllener einen Meineid zu leisten, um sich selbst aus der Verantwortung für das ungeborene Kind zu ziehen und stieß die junge Kläri Wäscher, erst später heiratete sie den Milliardär Zachanassian und nahm seinen Namen an, ins Elend.
Nun kehrt Claire ins völlig verarmte Güllen zurück – ihre Schritte hallen durch die Gassen, die Luft, die voller Hoffnung einst knisterte, ist erfüllt von unheilvoller Vorahnung. Niemand ahnt, was sich anbahnt, aber das Flüstern in den Ecken spricht von Gerechtigkeit und Rache.
Gekonnt spielen Nadja Engels und Lisa Kühn die eiskalte Claire, die nach vielen Jahren eine späte Gerechtigkeit fordert und den Güllenern eine Milliarde für den Toten Alfred Ill bietet – Geld, das den Bewohnern von Güllen, die schon lange nur auf Pump leben und bei Ill im Laden anschreiben lassen, gerade Recht kommt. Aber jedes Angebot hat einen Haken, jede Hoffnung seinen Preis. Es gewährt einem tiefe Einblicke in die finstere Seele der Menschlichkeit.
Florian Schmidt spielt Alfred Ill und zeigt mit seinem Spiel die Entwicklung vom selbstbewussten und überheblichen Besitzer des örtlichen Ladens hin zum immer mehr zweifelnden und schließlich verzweifelten Lügner, der sich mit seinem bevorstehenden Tod abfindet. Aber auch die weiteren Laienschauspielerinnen überzeugen mit ihrem Spiel und bringen das Publikum immer wieder zum Lachen oder lassen es nachdenklich zurück.
Kreativ setzen die jungen Schauspielerinnen auch Szenen um, die in den Regieanweisungen der Originalvorlage beschrieben werden: So werden Menschen zu Bäumen, die im Wind hin- und herwehen oder verkörpern ein Reh/einen Hasen, der/das durch den Wald läuft. Die musikalische Einlage von Deutschlehrer Gregor Simons mit der Gitarre und Regisseur Michael Blum an der Mandoline wird mit lautem Applaus belohnt, ebenso die bühnenreife Darstellung einer Betrunkenen durch Deutschlehrerin Mira Gerhards, die mit ihrer Textpassage: „Seit Jahren korrigiere ich jetzt schon Deutschaufsätze, doch erst jetzt weiß ich, was es bedeutet, sich zu gruseln,“ doppelt amüsiert.
Am Ende eines gelungenen Theaterabends bekam die Theatergruppe ‚Was Für ein Theater‘ den wohlverdienten Applaus und ließ auch schon durchblicken, dass es auch im nächsten Jahr wieder ein Stück von ihnen geben wird. Über Zuwachs freuen sich die jungen Schauspieler und -spielerinnen sicherlich – vielleicht kann sich der eine oder andere Zehntklässler, der in den letzten Jahren die Städtische Realschule verlassen hat, ja vorstellen, dort mitzuspielen. Lehrer Michael Blum wird sich als Ansprechpartner sicherlich über Anfragen freuen.