Nach zwei erfolgreichen Jahren schließt die Interkommunale Psychosoziale Unterstützung zum 31.12.2024 plangemäß ihre Pforten. Als NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach dem Hilfszentrum Schleidener Tal (HIZ) bei dessen ersten Geburtstag im Dezember 2022 gemeinsam mit ihrem Kabinett-Kollegen, Innenminister Herbert Reul, einen Überraschungsbesuch abstattete, hatte sie eine ganz besondere Nachricht im Gepäck. Nachdem der Bedarf für ein Traumzentrum nach den schrecklichen Ereignissen rund um das Hochwasser vom Juli 2021 mehr als gegeben war und seitens Bürgermeister Pfennings als dringend notwendig an die Landesregierung kommuniziert wurde, meldete die Politikerin Interesse an der Finanzierung einer solchen Einrichtung vor Ort durch ihr Ministerium an.
Großes Interesse in den Kommunen
Bei den drei Kommunen, Schleiden, Hellenthal und Kall stieß das schnell auf Begeisterung. War es neben den immensen Auswirkungen im rheinland-pfälzischen Ahrtal innerhalb NRWs doch gerade hier zu katastrophalen Zuständen durch die Flut gekommen. So hatte in Nordrhein-Westfalen insbesondere die Stadt Schleiden traurigerweise sogar die meisten Todesopfer zu verzeichnen gehabt. Um Verluste, hervorgerufene Angstzustände, das Gefühl von Lähmung und Ohnmacht oder tiefer sitzende, durch die Naturkatastrophe regelrecht wieder hochgespülte, seelische Verletzungen aufarbeiten zu können, sollte ein Therapiezentrum genau das richtige Mittel der Wahl sein. Das Besondere: Hier sollten keine langen Wartezeiten, wie in der Regelversorgung ansonsten üblich, nötig, sondern Termine schnell erhältlich sein.
Malteser setzten Traumazentrum im Auftrag der Betreiber um
Als alle verwaltungsrechtlichen Schritte ordnungsgemäß durchlaufen waren und der Förderbescheid des Heimatministeriums vorlag, konnte die Abteilung Fluthilfe NRW des Malteser Hilfsdienstes das Rennen bei der Ausschreibung der drei Betreiber-Kommunen rund um den faktischen Betrieb des Traumazentrums machen. Ein Expertenteam der Hilfsorganisation, bestehend aus sechs Fachpersonen aus den Bereichen Medizin, Psychiatrie, Psychologie; Seelsorge und Kunsttherapie stand seither kostenlos für die betroffene Bevölkerung aus Schleiden, Hellenthal und Kall bereit. Auch ein Name für das von vorneherein auf zwei Jahre begrenzte Projekt war schnell gefunden. In die IPSU (Interkommunale Psychosoziale Unterstützung), die in den Räumlichkeiten der ersten Etage des HIZ an der Kölner Straße 10 eine Heimat fand, kamen allein im Jahre 2023 rund 200 Klientinnen und Klienten, denen in über 860 Terminen weitergeholfen werden konnte. Bis zum dritten Quartal 2024 suchten ebenfalls bereits knapp 200 Menschen die IPSU auf, die in 680 Terminen Unterstützung erfuhren.
Rund 2000 Interventionen
Somit wurden im Aktionszeitraum etwa 2000 Interventionen durchgeführt und sorgten dafür, dass zahlreiche Flutbetroffene Verbesserungen ihres seelischen Zustands verzeichneten. Im Angebot von vorneherein: Einzelgespräche und Gruppensettings. Das Spektrum reichte dabei neben dem vorausgehenden Clearing von medizinisch-psychologischer Beratung, sozialer Beratung, Seelsorge und stabilisierender Psychotherapie über Traumatherapie und kunsttherapeutische Angebote bis hin zu tiergestützter Therapie, Verhaltenstherapie und Stressbewältigung. Ziel dabei stets: Die Menschen sollten wieder in die Selbstwirksamkeit gebracht sowie bestenfalls widerstandsfähig hinsichtlich künftiger neuer Krisen gemacht werden. So beschrieb eine flutbetroffene Person, die das Angebot nutzte, in einem anonymen Dankesschreiben an das Expertenteam unter anderem diese Zeilen: „“Ich bin über meinen Schatten gesprungen und habe in der IPSU Hilfe gesucht und einen Gesprächspartner, einen Psychotherapeuten gefunden. Nutzen Sie die Möglichkeit und Chance, die sich Ihnen bietet! Sie ist nicht selbstverständlich und eine große Hilfe.“ Auch der Bundesbeauftragte der Malteser Fluthilfe, Wolfgang Heidinger, findet, dass mit dem Start der IPSU ein echtes Leuchtturmprojekt gelungen ist. „Entscheidend dafür war die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Akteure, insbesondere mit den Bürgermeistern und den Verwaltungskräften von Schleiden, Hellenthal und Kall.“
Großer Anklang und Aufmerksamkeit auf europäischer Ebene
IPSU fand aber nicht nur großen Anklang innerhalb der Bevölkerung, sondern erregte ebenfalls auf europäischer Ebene Aufmerksamkeit. So zeigte sich sogar die in Kopenhagen verortete Europäische Umweltagentur (European Environment Agency/EEA) äußerst glücklich darüber, eine Fallstudie über die psychosoziale Hilfe des interkommunalen Traumazentrums als Reaktion auf Überschwemmungen veröffentlichen zu können. Aufgabe der EEA: Politischen Entscheidungsträgern sowie der Öffentlichkeit werden sachdienliche Informationen und Daten über den Zustand und die Entwicklung der Umwelt geliefert. Im Portfolio der Umweltagentur dienen die mit der IPSU gemachten Erfahrungen damit jetzt ebenfalls als Beispiel umgesetzter Lösungen für klimawandelbedingte Risiken.
IPSU war richtige Entscheidung
Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings resümiert auch im Namen seiner Amtskollegen aus Hellenthal und Kall, Rudolf Westerburg und Hermann-Josef Esser: “Der große Anklang innerhalb der Bevölkerung sowie das starke deutschland- aber auch europaweite Interesse an unserem gemeinsamen Projekt zeigt, dass die Entscheidung richtig war. Wir sind überzeugt davon, dass mit dem niederschwelligen Angebot der IPSU vielen Menschen bei der Verarbeitung ihrer unterschiedlich schweren Traumatisierungen geholfen werden und sogar Suizide verhindert werden konnten. Herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IPSU für die tolle Unterstützung!“
Alles in allem konnte die IPSU Zeit ihres Bestehens somit nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur psychischen Stabilisierung flutbetroffener Klienten leisten, sondern auch dazu beitragen, dass politische Entscheider europaweit bei ähnlichen, künftigen, klimabedingten Ereignissen auf die im Schleidener Tal gemachten Erfahrungen zurückgreifen können.