Bronsfeld auf der Höh‘
Von Manfred Lang
mit Vorarbeit durch das Stadtarchiv Schleiden
Ein Quiz steht zu Beginn unseres dritten Ortsportraits in der Stadt Schleiden. Nach „Beresch“ (Berescheid) und „Brooch“ ist jetzt das 1322 erstmals urkundlich erwähnte „Pruntzfelt“ (Bronsfeld) an der Reihe. E schönn Dörp (1999 Gold auf Kreis- und 2000 Bronze auf NRW-Landesebene), e jrueß Dörp (563 Einwohner) unn e wichtisch Dörp, das in jeder Beziehung auf der Höhe ist (524 Meter über dem Meer).
Erste Frage: Was hatten lange Zeit „Schalke 04“, die italienische Fußballnationalmannschaft („Squadra Azzurra“) und der SV Bronsfeld 1954 e.V. gemeinsam? Antwort: Ihre Trikots („Kluff“) trugen traditionell die Farben Blau und Weiß. „Blau unn wiss, das is jewiss – vorm SV Bronsfeld ham se alle Schiss…“ Seit 1994 kicken die SV-Kicker in Spielgemeinschaft mit dem TuS Oberhausen.
Legendär sind waghalsige Motorradfahrten zu Auswärtsspielen in den 50er Jahren (Autos waren damals Luxus und rar: et joof praktisch kenn) sowie der preiswerte Sportplatzbau 1958/59. Bis dahin trug die „Sportgemeinschaft Harperscheid-Bronsfeld“, die 1959 in „Sportverein SV Bronsfeld e. V. 1954“ umbenannt wurde, ihre Heimspiele („Deheem“) auf dem Spielfeld des SV Schöneseiffen aus.
Frage 2: Welche Bronsfelder Persönlichkeit wurde noch berühmter als der 2004 mit dem Verdienstkreuz am Bande ausgezeichnete Landwirt („Buur“), Funktionär (Buureveband, Landwirtschaffskamme) und Kommunalpolitiker (Jemeenderoot, Ampsvetrete, Stadtroot) Gustav Schink? Datt wohr Sieffens Laurenz em 16.(„sechsehnte“) Johrhondet.
Laurentius Sifanus (um 1510 - 1579) aus Bronsfeld, ein Vetter von Sturms Schäng (Johann Sturm) uss Schleede (Schleiden), wurde Humanist, Jurist und Philologe (Altgriechisch). Der Sohn der Berge lateinisierte seinen Namen ebenso wie der Cousin aus dem Tal. Aus Johann Sturm wurde bekanntlich Johannes Sturmius, der reformierte Begründer der Straßburger Schule, ein lutherisches Gymnasium, aus dem die heutige Universität von Straßburg hervorging.
Laurenz Seiffen, Sieffen oder Siepen (der janz jenaue Name öss net övelefert) nannte sich Laurentius Sifanus. Der Bronsfelder besuchte zunächst die Hofschule des Grafen Dietrich IV. von Manderscheid auf dem Schleidener Schloss, studierte dann Jura in Italien und promovierte 1552 in Ferrara.
Danach nahm Sifanus Lehrtätigkeiten auf - unter anderem am Gymnasium in Köln, an der von sengem Vätte Sturms Schäng gegründeten Akademie in Straßburg und an der Universität Ingolstadt. Begraben wurde Sieffens Lorenz im Marienmünster in Ingolstadt, wo seine Grabplatte gefunden und entziffert wurde.
Drette Frooch: Wohr Bronsfeld ens enne janz bedeutende Publikumsmagnet unn warömm? Hatte der Ort im Südwesten des Schleidener Stadtgebiets und am Rand der Dreiborner Hochfläche einmal so viele Gäste von auswärts zu Gast wie kaum ein anderer in der Eifel?
Es ist kaum („komm“) zu glauben („ze jlööve“), aber über („äver“, „över“) 100.000 Schölljonge unn Mädche (Schüler) va 200 ongescheedlije (unterschiedlichen) Schölle (Schulen) besuchten noch in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts das Schullandheim der Stadt Duisburg (vormals Walsum) in Bronsfeld. Diesem Ortsportrait ist eine 1970 verschickte Ansichtskarte des Schullandheims beigestellt.
Um ein Haar wäre Bronsfeld touristisch noch viel bedeutsamer geworden, so berichtet das Schleidener Stadtarchiv. Denn in den 1970er Jahren plante die Firma Wilsmann Ferienhaus GmbH & Co KG Hövelhof auf 25 Morgen an der Weiermühle ein Feriendorf mit 70 Ferienhäusern im schwedischen Stil.
Die amtsfreie Gemeinde Harperscheid („Harpesch“) sprach sich mit Ratsbeschluss vom 9. Januar 1970 für das Projekt aus. Doch es scheiterte noch im Sommer des gleichen Jahres an den Vorgaben der Landesplanungsgemeinschaft Rheinland. Man befürchtete angesichts des - 2015 geschlossenen - Campingplatzes Weiermühle und des Schwimmbads in Schleiden, dass das komplette Dieffenbachtal eines Tages mit Wohnwagen zugestellt sein würde.
Gemeinde betrieb Reinigung, Dreschanlage und Kreissäge
Die Landwirtschaft spielte früher im ganzen Kreis Schleiden eine große Rolle. Bedeutende Industrie gab es im Wesentlichen nur am Mechernicher Bleiberg mit zeitweise bis zu 4500 Beschäftigten. Das Dreiborner Hochplateau, zu dem auch Bronsfeld gehört, war für den Ackerbau besser geeignet als die meisten anderen Tallagen im heutigen Stadtgebiet.
Aus der Zeit um 1920/1930 besitzt das Stadtarchiv eine Fotosammlung, die das Leben in der Landwirtschaft am Beispiel der Familie Reinhard Stoff aus Bronsfeld erzählt. Diesem Bericht sind einige dieser stimmungsvollen Bilder beigestellt – von der Heu- und Getreideernte („Heuäehrn“, „Äehrn“) sowie vom „Äerpel ussdohn“ (Kartoffelernte, wörtlich „Erdäpfel austun“) auf dem „Nonnenhügel“. Das Bild vom Heuladen wurde in der Berenbach aufgenommen, ebenso die zum Bleichen ausgelegte Wäsche („Weisch“).
Nicht nur in der ripuarischen Nordeifel-Mundart gibt es zwei Grundbegriffe für die aus den südamerikanischen Anden stammende Kartoffel, die im 18. und 19. Jahrhundert zum Grundnahrungsmittel schlechthin avancierte. Die Rede ist von Erdapfel (rheinisch „Äerpel“) und Grundbirne („Gromper“).
Ähnlich klingende Kartoffelnamen gibt es übrigens in den Mundarten des gesamten deutschsprachigen Raumes. Im Breisgau wie an der Donau sagt man „Grumbire“, in anderen Ecken Süddeutschlands „Bodabira“, „Grundbir“ oder auch „Erchtbohn“. An der oberen Elbe und an der Neiße sowie im Sudetenland gediehen einst „Aardäppel“. „Aardappel“ heißt der „Äerpel“ bis heute auf Flämisch/Niederländisch.
„Der hinkende Bote“, ein Jahreskalender von 1935, schreibt, Bronsfeld habe 296 Einwohner und gehöre zur Pfarrei Schleiden. Der Dorfschulze (Verwalter der Dorfobliegenheiten) hieß Gustav Mahl. Gewerbetreibende („Jeschäffslöck“) waren zu der Zeit („Zegg“, „Zitt“) der Gastwirt („Wie-et“) Siegmund Lammert, Kolonialwarenhändler („Handelsmann“, „Vekööfe“) Heinrich Balschun, die Müller („Möller“) Siegmund Lammert und Karl Lorbach, Schlosser Hermann Thütt, Schmied („Schmött“) Peter Breuer und Schuhmacher („Schohmeiche“, „Schuste“) Wilhelm Schülter.
Nach dem Krieg wurde eine Zeitlang eine gemeindeeigene Dreschmaschine stationär betrieben, aber wegen der Belästigung der Anwohner durch Staubentwicklung und Lärm Mitte der 1960er Jahre wieder auslaufen lassen, dass heißt das Amt Harperscheid („Amp Hapersch“) stellte keine finanziellen Mittel („Jrosche“) für die Erneuerung der Dreschanlage mehr zur Verfügung.
Im fortschrittlichen Höhenort (524 Meter ü. NN) gab es damals ebenfalls ein gemeindeeigenes „Trieur“. Datt öss en „Reinijung“ (Reinigung) zur Trennung von Spreu und Körnern und Sortierung der Getreidekörner nach Größe. Damit konnten die Bauern ihr Saatgut („Soohmfru-et“) und Speisegetreide („Back-Wees“ = Weizen, „Ko-ehn“ = Roggen) gegen Gebühr in die entsprechenden Fraktionen („Enzelbestanddeele“) trennen.
Bis zu ihrer Schließung am 1. April 1966 betrieb die Kommune in Bronsfeld ebenfalls eine Gemeinde-Kreissäge, die auch von den Ortsansässigen genutzt werden konnte. Die grammatikalisch exakte Konjugation des Verbs „sägen“ geht im Ripuarischen so: Ich säje, Du sääschs, häer, seij, ött sääsch, mir säje, ihr sääscht, seij säje.
Schulboykott ebnete den Weg zur eigenen Lehranstalt
„Eefeler Platt“ lernten die „Puute“, „Möxx“, „Pänz“, „Köngde“ damals zu Hause und auf der Straße – Hochdeutsch („Huuhdütsch“) wurde ihnen in der Schule beigebracht. Allerdings verfügte der „Gesamtschulverband Schleiden-Bronsfeld“ nur über ein Schulhaus in der Kreisstadt Schleiden. Bronsfelder Kinder mussten noch bis 1948 (!) zweimal täglich den etwa vier Kilometer langen Weg von Bronsfeld nach Schleiden und zurück bei Wind und Wetter („Wöngk unn Wödde“) zurücklegen.
Mehrere Anträge auf Bau eines eigenen Schulgebäudes im Ort wurden abgelehnt. Die Bronsfelder machten es der Schuldeputation des Gesamtschulverbandes Schleiden-Bronsfeld aber auch nicht leicht: 1914 forderten sie einen zweiklassigen Neubau („Noibou“) mit einer Klasse für katholische und einer für protestantische „Pänz“.
Begründung der Ablehnung: Mit 45 bis 50 schulpflichtigen Kindern insgesamt habe Bronsfeld viel zu wenig Schüler. Auch der Antrag von 1927 (Bau einer katholischen und einer evangelischen Schule) wurde aus heutiger Sicht erwartungsgemäß vom Landrat abgeschmettert.
Weil die Kinder in der sommerlichen Heu- und Getreideernte und der herbstlichen Kartoffelernte mit anpacken mussten, wurden die eigentlich sechs Wochen währenden Sommerferien damals in drei Wochen Sommer- und drei Wochen Herbstferien aufgeteilt. Und zwar nicht nur in Bronsfeld, sondern in vielen ländlichen Gegenden der preußischen Rheinprovinz. Das Phänomen hat in dem Ausdruck „Äerpelsferie“ („Kartoffelferien“) überlebt.
Weil die Bronsfelder Schüler nach dem Zweiten Weltkrieg („Kreech“) noch immer den vier Kilometer langen Schulweg („Schöllwääch“) von und nach Schleiden zurücklegen mussten, schrieb Hupps Chress (Christian Hupp) 1945 einen Brief („Breef“) an die damals im Kloster Steinfeld („Kluuste Steefeld“) untergekommene Kreisverwaltung Schleiden, respektive die ebenfalls dort residierende vorgesetzte Britische Militärregierung.
Darin machte Hupp den intelligenten Vorschlag, es sei sinnvoller, wenn sich der Lehrer („Liehre“, „Majiste“) von Schleede no Prongsfeld „op Lapp jeffe däht“ (in Marsch setzen würde), als 50 Kindern den zweimaligen Ortswechsel zur Schule nach Schleiden und wieder nach Hause zuzumuten. Er schlug vor, der Unterricht könne im Tanzsaal der Gastwirtschaft Lammert abgehalten werden.
Die Begründung für die sinnvolle Idee, klingt aus heutiger Sicht etwas hanebüchen. Wenn man bedenkt, dass gutes Schuhwerk damals wertvoller Besitz war und auch Kinderschuhe „genagelt“ wurden, um die Sohlen („Solle“) vor allzu rascher Abnutzung („Veschließ“) zu schonen, dann wird es verständlicher. Halbschuhe („Hallefschohn“) bekam auch die Nachkriegsgeneration erst zur Kommunion oder Konfirmation – bis dahin wurden „jenählte huh Schoohn“ getragen. Oder man lief im Sommer „op bläcke Fööss“.
Hupps Chress schreibt also: „Hierbei ist der Schuhverschleiß derart groß, dass es jetzt schon fast dem größten Teil der Kinder nicht mehr möglich ist, die Schule zu besuchen, da ihr Schuhwerk, welches die letzten Jahre (Zeit des 2. WK) nicht mehr erneuert werden konnte, total verbraucht ist.“ Außerdem sei der Schulweg wegen Minen aus den letzten Kriegsjahren sehr gefährlich.
Ob letzteres Argument gezündet hat? „Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des Tanzsaals wurde eine Baracke für die Schulunterricht vor Ort in Bronsfeld angeschafft“, schreibt Stadtarchivarin Nicole Gutmann: „Doch die Bauarbeiten, um die Baracke aus der früheren Nazi-Ordensburg Vogelsang als Volksschule in Bronsfeld nutzen zu können, verzögerte sich enorm!“ Erst im Sommer 1948 ging die Schule in Betrieb.
Kurz zuvor war es Ostern zum Schulstreik der Bronsfelder gekommen, die noch immer die Volksschule in Schleiden besuchen mussten. Man verlegte ihren Unterricht kurzerhand ganz auf den Nachmittag, als das Gebäude den Schleidener Gymnasiasten vormittags zur Verfügung gestellt wurde. Da platzte den Bronsfeldern der Kragen – und sie schickten ihren Nachwuchs gar nicht mehr zur Schule!
Danach ging alles offenbar schnell: Im März 1948 beschloss die Gemeindevertretung die Aufhebung des Schulverbandes Schleiden-Bronsfeld, am 16. Mai die Gründung einer Volksschule in Bronsfeld. Der Unterricht begann am 3. Juni unter sehr schlechten räumlichen Bedingungen in der erwähnten Baracke. Bis zur Einweihung des Neubaus einer einklassigen Bronsfelder Volksschule Kirmes 1951 nutzte man das Feuerwehrgerätehaus („Feuewehrhüsje“) als Notschule („Nu-et-Schöll“).
Die Schule stand Ecke „Auf Knopspesch“/Alter Weg und damit „etwas abseits des Dorfes mitten in der Natur gelegen“, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt, den Norbert Toporowsky für dieses Ortsportrait zur Verfügung gestellt hat: „Sie bietet hohe helle Räume und einen weiten Blick über die Höhen der Eifel“. 1955 wurde das Lehrerwohnhaus eingeweiht.
Bürgerverein, Kapellenverein und Freiwillige Feuerwehr
Heute zählen zur Infrastruktur im Ort Bolzplatz, Kinderspielplatz, Gemeinschaftshaus „Blaue Lagune“, katholische Kapelle und Feuerwehrhaus des Löschzugs IV Harperscheid/Bronsfeld der Freiwilligen Feuerwehr. Die letzte Gaststätte („Wiertschaff“, „Kneip“) - mit Namen „Eifelblick“ und betrieben von Franz und Martha Henz - existierte bis um die Jahrtausendwende zum 21. Jahrhundert.
Von zentraler Bedeutung ist heute nach Norbert Toporowsky der 1980 gegründete Bürgerverein Bronsfeld, der sich für Brauchtum und Veranstaltungen einsetzt. Er organisiert unter anderem Seniorentage, Martinszug und Nikolausfeiern, Goldhochzeiten und andere Jubiläen, Kirmes und Kinderfest.
Er unterhält und pflegt die Anlagen im und um den Ort einschließlich der Biotope („Bönde“, „Plotze“), Obstwiesen („Obsweede“), Pflanzbeete („Jraafangk“), Wartehäuschen („Bushüsje“) und des Kinderspielplatzes („Spellplatz“). 1997/98 wurden im Zuge einer Dorferneuerungsmaßnahme der Dorfbrunnen („Pötz“ von frz. „le puits“) nach alten Vorlagen rekonstruiert und eine Grillhütte („Jrillhött“) gebaut.
Neben dem Kapellenverein Bronsfeld e. V., dem IC-Karneval, der Dorfjugend und dem eingangs erwähnten Sportverein SV Bronsfeld e. V. 1954 spielt die Freiwillige Feuerwehr im Dorf eine große Rolle. Sie wurde 1934 im Lokal von Siegmund Lammert als „Löschtrupp“ aus der Taufe gehoben.
1936 organisierte sie mit musikalischer Unterstützung der Feuerwehrkapelle Schleiden erstmals einen später jährlich stattfindenden Feuerwehrball. 1937 konnte das Feuerwehrgerätehaus in Betrieb genommen werden.
Die Wehr verfügte zu der Zeit über eine von acht Mann bediente Saugspritze, einen Schlauchwagen, Leitern und Kleinutensilien wie Eimer, Patschen und Äxte. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde fast der gesamte Löschtrupp zur Wehrmacht eingezogen, so der Schleidener Journalist und Historiker Franz-Albert Heinen.
Nach Kriegsende 1945 musste die Freiwillige Feuerwehr Bronsfeld quasi neu gegründet werden. Viele Kameraden waren gefallen, Manpower und Wissen verlorengegangen. 1948 bekam die Feuerwehr eine gebrauchte Motorspritze und ein neues „Spritzehüsje“ oberhalb des Hauses Lorbach, und 1970-1971 schließlich ein neues und verbessertes Gerätehaus.
Heute zählt die Freiwillige Feuerwehr Bronsfeld zusammen mit der Wehr Harperscheid-Schöneseiffen zum Löschzug IV Harperscheid/Bronsfeld der Schleidener Stadtwehr. Zuletzt wurde 2018 ein neues „Tragkraftspritzen-Fahrzeugs-Wasser“ (TSF-W) übergeben und von den Pfarrern Eric Schumacher und Philipp Cuck eingesegnet.